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Wie verhält sich das mit dem Verhalten?

 

 

 

 

A: Ich habe einen Schüler, der eine Schülerin ist. Das sieht man aber   

 

    nicht, es ist nur am Namen zu erkennen.

 

B: Hmh? Hast du denn gefragt, ob der Name tatsächlich richtig ist?

 

A: Yup.

 

B: Das heißt, du sagst jetzt Frau XY zu… ihr?

 

A: Nein.

 

B: Nein???

 

A: Doch, irgendwie schon… Ich hab es halt vermieden, ihn, äh, sie, so  

 

    anzusprechen. Irgendwie doof.

 

B: Für wen?

 

A: Ich finde, für alle. Ich weiß doch vorher nicht, was mich in einer neuen  

    Klasse erwartet, beziehungsweise, wer mich da erwartet. Und für die  

    betreffende Person ist es doch auch blöd, immer in Erklärungsnot zu

    sein. Unangenehm.

 

B: Hat sie denn etwas erklärt?

 

A: Nay.

 

B: Aha? Hättest du denn eine Erklärung ihrerseits gewünscht?

 

A: Ach, nee, das wäre doch auch krampfig, irgendwie. Von mir aus kann 

    jeder so sein, wie er will, ich hätte nur manchmal vorher 

    gerne eine klitzekleine Info, damit ICH keine peinliche Situation 

    schaffe.

 

B: Aber wenn jeder so sein kann, wie er oder sie will, muss ja vorab auch

    nichts erklärt werden, oder? Das widerspricht sich doch. Oder muss

    man über dich im Voraus auch eine “klitzekleine Info“ haben?

 

A: Nööö…. Ich bin doch total normal!

 

A und B: Lachen.

 

A: Ich tu mich halt sowieso ein bisschen schwer mit den diversen

Geschlechtern – also, aus Verständnisgründen - oder mit: Männer sehen aus wie Frauen und

umgekehrt, sind mit ihrem tatsächlichen Geschlecht aber d´accord, dann die, die es nicht sind, und auch noch jene, die irgendwie beides sind, mögen, lieben… ich blick da nicht mehr durch.

Und: Ich MUSS es auch gar nicht, oder?

 

B: Nein, das musst du nicht. Tolerieren tust du es aber?

 

A: Ja, sicher! Warum auch nicht? Ein Mensch ist ein Mensch. Was mir nur 

ziemlich auf die Ketten geht, ist Gedöns, schrilles Getue und so ein dick aufgetragenes: „Schaut her! Ich bin DIVERS, ich bin BUNT, ich bin etwas ganz Besonderes, ihr monochromen Spießer-Heten und Singulär-Geschlechtlichen!

 

B: “Singulär-Geschlechtlichen?“ lacht.

 

A: Was weiß denn ich, wie unsereins sich nennen soll. Soll ich mir einen  

Sticker basteln? „Ich bin gerne echte Frau und hetero, was sagt der Hermaphrodit denn so?“

 

B: Ein bisschen albern, oder? Und auch...hm…eine kleine, latente Abwehr

    von anderem und anderen?

 

A: Nur ein bisschen… Im Ernst: Mich juckt das alles nicht, so lange sich  

    alle einigermaßen kompatibel zeigen, wenn es um Job und Co. geht. Wie sie dabei aussehen oder was sie

    konkret  “sind“, ist mir wumpe. Wenn sie Fragen gegenüber offen sind, ergibt sich manchmal auch ein Gespräch  

    und das finde ich interessant. Ansonsten nehme ich es eben zur Kenntnis, und gut ist. Ich weiß nur manchmal

    nicht, wie ich mich verhalten soll. Muss ich Fragen stellen? Nein! Muss ich alles verstehen? Auch nein! Darf ich

    denken: Er, sie, es geht mir auf den Zeiger und ist ein Arschloch? Das denke ich ja sogar manchmal über Kinder.

    - Es gibt Arschloch-Kinder!

 

B: Und nicht wenige!

 

A: Aber wehe…

 

B: …man sagt da mal was!

 

A: Also ist man genervt, rollt die Augen, oder…

 

B: …geht woanders Kaffee trinken.

 

A: Apropos, möchtest du noch…?

 

B: Nein, danke. Aber so einen Kekf effe if gerne noch.

 

A und B: Schweigen und kauen.

 

A,  nachdenklich: Es ist sicherlich auch schwierig, in so einer Situation zu stecken – im falschen Körper,

     in einem vielleicht mobbenden Umfeld, Ärger mit der Familie zu haben, mit der Krankenkasse, im Job… ich 

     möchte da nicht tauschen. Außerdem sage ich mir oft, dass jeder seine Geschichte mit sich herumträgt und

     manche Lebensgeschichten wirklich krass sind…

 

B: … und trotzdem kannst auch du dich nicht von Vorurteilen oder

    wenigstens Verständnisproblemen oder gar Genervtheit freisprechen.

 

A: Nein, das kann ich nicht und es ärgert mich.

 

B: Andererseits hat auch niemand an deiner Wiege gesagt, du müssest

    perfekt sein.

 

A: Nee… eine der Feen hat, glaube ich, sogar gesagt, dass MEIN LEBEN

    nicht perfekt sein wird! (lacht).

 

B: Eventuell hat eine der Feen auch gesagt: “Sie wird sich immer ein paar 

    Gedanken zu viel machen, sie wird sich nicht immer korrekt verhalten…

 

A: …aber stets bemüht sein!

 

B: “…sie wird immer dazwischen babbeln und trotzdem ihren Weg gehen. 

    Sie ist ein Mensch unter Menschen.“

 

A: Das hast du jetzt schön gesagt! Danke.

 

B: Und deswegen… kriege if jepf auch den lepften Kekf.

 

 

 

© Sandra Windges

 

 

 

Photo by Tyler Nix on Unsplash

 

 

 

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