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9. Dezember, Sonntag

Annika und die Kinder besuchen heute eine Weihnachtsaufführung im Schauspielhaus mit Annikas Freundin Babette und deren Kindern. Steffen ist froh, endlich Zeit für sich zu haben. Zeit, die er normalerweise damit verbringen würde, Bürokram aufzuarbeiten oder einfach auf dem Sofa herumzufläzen. Die Sonne scheint, es hat 5 Grad, es zieht ihn hinaus. Und – zu Christine. Seit sie Single ist, sind ihr die Sonntage nicht mehr so lieb wie früher, wenn all ihre Freudinnen mit ihren Familien beschäftigt sind, wird dieser einsame Tag doch manchmal recht einsam und öde für sie, obwohl sie sich häufig etwas vornimmt wie einen Museumsbesuch, Kino oder Sport. Aber heute hatte sie nach dem Aufwachen eine WhatsApp- Nachricht von Steffen bekommen. „Good morning sunshine, wollen wir gleich ein wenig spazieren gehen? Oder bist du schon verplant? Ich könnte um drei am Fortunabüdchen sein und ab da bestimmst du den Weg. Sag „JAAA!“ 😉

 

Ciao, S.

 

  Und Christine sagt „JAAA“. Noch hat sie keine Ahnung, wohin das alles führen soll. Steffen war immer ein guter Kumpel und -mehr. `Aber so richtig sind wir beide nie in die Puschen gekommen`, denkt sie, als drauf wartet, dass sich das Wasser in ihrem Kaffeevollautomaten erhitzt.   Christine weiß, dass er verheiratet ist und Kinder hat, selbstverständlich weiß sie das. Im Moment will sie es nicht wissen, weiter darüber nachdenken. `Vielleicht haben er und seine Frau ja eine Krise?`, überlegt sie und schäumt Milch auf. `Irgendetwas fehlt ihm jedenfalls in seiner Ehe, sonst würde er nicht mit mir herumflirten und Zeit verbringen.`   Weiter in die Tiefe will sie nicht gehen mit ihren Gedanken. Jetzt ist jetzt.   Sie freut sich auf ihn und während sie ihren Milchkaffee schlürft, überlegt sie, was sie anziehen könnte.   Wiebke hat die Mutter von Jaspers Kumpel Karl in München angerufen. Die weiß zwar, dass Jasper keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter hat und wünscht und sie weiß auch warum, trotzdem lässt sie sich erweichen, so kurz vor Weihnachten. Wiebke kann auf Knopfdruck weinen und wendet diese Taktik gekonnt an, garniert sie mit Reuebekundungen und Sätzen wie „Er ist doch mein einziges Kind“ „Ich möchte doch endlich Frieden haben!“ „…habe mich in einer seelischen Ausnahmesituation befunden…“   Karls Mutter gibt schließlich nach. Die Adresse hat sie, weil sie Jasper en paar Dinge geschickt hat, die er bei einem seiner Besuche bei Karl vergessen hatte.   Marianne und Heribert genießen das schöne Wetter und ihr erstes Date. Natürlich nennen sie es nicht so. Aber egal, wie alt man ist, wie man es nennt, es ist aufregend. Und schön. Schmetterlinge im Dezember, die gibt es, stellen beide fest, und das in ihren Bäuchen. Die beiden haben gestern sehr lange miteinander telefoniert. Wirklich sehr lange, nämlich vier Stunden. Es ist unglaublich, wie viel sie einander zu erzählen haben. Und noch unglaublicher ist, dass beide sich auf den ersten Blick ineinander verliebt haben. Das geht alles viel zu schnell, sie müssen einander noch besser kennenlernen, heute sehen sie einander schließlich erst zum zweiten Mal, und zum ersten Mal alleine. Aber diese Freude, die sich auf beiden Gesichtern zeigt, das Strahlen, das schüchterne Wegschauen Mariannes, wenn Heribert ihr intensiv in die Augen schaut, sein Herzbumpern, während er dies tut, das alles spricht Bände.  

 

Liebe kennt eben kein Alter. Oder, gut, Verliebtsein

 

  Steffen fragt sich nicht, ob er verliebt ist. Sein Herz bumpert auch, als er Christine am Fortuna trifft, ihr breites Lächeln spiegelt seines wider und es dauert nicht lange, da bleiben sie mitten auf der Oberkasseler Brücke, über die sie gerade spazieren, stehen, und küssen einander. Ein Kuss, der das Verkehrstreiben und die anderen Passanten ausblendet. Und Annika.  

 

Aber nur fast...

 

  Alice hat Lars noch nichts von ihrem Verdacht erzählt, dass Niko bald Papa wird – allein wie sich das anhört, und wer würde dem verspielten, treuguckenden Zottelwuffi das überhaupt zutrauen?- und verbringt mit Mann und Hund einen gemütlich faulen Sonntag, trotz des schönen Wetters. Sie bewegen sich vom Bett in die Küche, dann auf die Couch und dann wieder ins Bett, Lars dreht eine Runde mit Nikolaus und denkt dabei noch einmal an Wiebke. Er hat vor, mit Alice über ihren “Besuch“, eher war es ein Überfall, zu sprechen. Als er in Alicens Wohnung zurückkehrt, kommt die gerade frisch geduscht aus dem Bad und trägt ein neues, dunkelgrünes Etwas, so eine Art Nachthemdchen mit Spitze, oder ein Unterkleid… egal. Etwas, dass ihn Wiebke ganz schnell verdrängen lässt. Nikolaus, der ebenfalls in dieser Wohnung sein zweites Zuhause hat, macht sich über seinen Fressnapf her und lässt die beiden Menschen ohne ihn im Schlafzimmer verschwinden…

     

Foto: Unsplash

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