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Männer sind Autisten Oder: Aber bitte nicht so scharf

 

 

 

 

Ich frage mich seit geraumer Zeit, ob Männer wirklich autistischer sind als die weibliche Seite der Bevölkerung. Neulich saß ich mit Freundin C. in einem Café beim Kaffee. „Männer sind Autisten“, sagte Freundin C. und ich stimmte ihr spontan zu. „Wenn Männer etwas tun, dann ausschließlich diese eine Sache: Arbeiten, Motorrad fahren, Extrem-Couch-lieging, Zinnsoldaten bemalen,

Revellflieger basteln, Unkraut vernichten, Muskeln aufbauen, sich auf den Iron-Man vorbereiten, essen, Alkohol konsumieren, Auto waschen, Sex haben. Keinen Sex haben. Im Männerkochclub kochen.“  Tja. Das kann man zielstrebig nennen. Oder stumpf. Emotional bleibt dabei einiges auf der Strecke. Das ist nix Neues. Aber trotzdem denkt man ja manchmal darüber nach, warum Männer so sind wie sie sind.

 

Sonntag dann mit einem männlichen Exemplar (seines Zeichens kein Autist) beim Schnell-Thai gesessen. Ein Mann in Radkleidung betritt die Szenerie, bestellt etwas: „Aber nicht so scharf bitte.“ Und verzieht sich mit seinem Handy in den Hintergrund an einen Tisch. Weitere Personen kommen herein, bestellen: „Die 102 und  die 56! Aber das ist doch nicht so scharf, oder?“

 

Ich gebe Sambal Oelek an mein Hühner- Chop Suey und diskutiere die Autistenfrage. Selbst der Vertreter des anderen Geschlechts glaubt, dass Herr Asperger sein Füllhorn doch etwas großzügiger über der Männerschaft ausgeschüttet hat. Er: „Ich dachte immer, Asperger hat was mit Asparagus zu tun und der Spargel als Phallussymbol…“ „Mit Spargel hat das alles gar nichts zu tun!“

. „Männer sind emotional nicht besonders vielfältig. Bei Krankheiten machen sie meistens dicht, erst recht bei Trauerfällen. Jobverlust wird weggetrunken. Frauen werden angeflirtet, während der Typ  mit seiner weiblichen Begleitung grade einen Heiratsantrag am Laufen hat. Geburtstagskarten usw. werden überwiegend wohl von Frauen gekauft. Und geschrieben“.   

 

Ich fahre fort: „Nach der Scheidung sagt der Mann: „Aber ich habe dich doch geliebt!“ Die Frau sagt: „Aber du hast es nie gesagt!“ oder, der Mann: „Aber ich habe dich doch geliebt!“ Die Frau: „Und du hast es mir auch achtmal in der Stunde gesagt. Das habe ich nicht mehr ausgehalten!“ „Das verstehe ich nicht!“ sagt der Mann, und fühlt nach, ob sein Handy noch in der Hosentasche wohnt.

 

Der Nichtautist an meinem Tisch isst und denkt nach.

 

 

Ich: „Männergespräche sind wenig essenziell, was das Klären von Lebensfragen angeht. Da spricht man lieber über den Job. Das Auto. Den neuen Rasenmäher." Kurzes Schweigen.

"Es kann ja auch schon mal von Vorteil sein, nicht so ein Geschiss um alles zu machen“, setze ich noch hinzu. Eine Frau mit blonder Hochsteckfrisur steht parallel zu unserer Unterhaltung an der Bestelltheke. Der Mann im Hintergrund hat sein Essen bekommen und spielt während der Nahrungsaufnahme immer noch mit seinem Handy. „Bestimmt hat er eine App, um den Schärfegrad zu messen“, vermute ich. „Wie heißt das noch?“ , fragt mein Gegenüber.

„Moment, ich google das mal!“ gebe ich zur Antwort und spiele mit meinem Handy. „Scoville!“ „Aber nicht so scharf, bitte!“ höre ich es von der Frau an der Theke sagen. „Und ohne Reis und ohne Nudeln! Und bitte noch so ein Hähnchenspieß. Aber OHNE Satèsauce!“ Boah ey, dann lass et doch direkt sein, Kink! denke ich. Und sage:

 

 „Schick mal `nem Typen eine E-Mail. Man stellt fünf Fragen und genau eine wird beantwortet. Wenn überhaupt. Oder wenn man denn überhaupt `ne Antwort kriegt. Nach ein paar Tagen.“  Ich muss jetzt was trinken. „Ich schreibe nicht so gerne E-Mails“ kommt es knapp zurück. Telefoniere lieber.“ „Ich weiß. Ich hasse es, zu Telefonieren.“ „Ich weiß.“ Seine acht Kostbarkeiten waren die noch bessere Wahl, stelle ich fest. Und der genau der richtige Schärfegrad! Ich lasse mein Handy über unsere Teller schweben. „Was machst du denn da?“ „Will nur mal ausprobieren, ob die Scoville-App funktioniert.“ „Du hast eine??“ „Nö“.

 

Drei weitere Menschen bestellen Essen, nehmen am Wartetisch Patz. „Ach ja, und bitte nicht so scharf!“ Es läuft immer noch traurige Asia-Mucke. Der Mann im Hintergrund schiebt seinen Körper und sein Handy aus dem Lokal. „War genau richtig von der Schärfe her! Tschüss.“

 

„Lass uns gehen“, sage ich entnervt.

 

Und denke: Und Männer sind doch Autisten!

 

Zumindest öfter als wir Mädels.

 

In meinem  Mund brennt es etwas. Bestimmt zu viel Sambal am Essen.

 

 

Foto: Unsplash

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Angelika Hermichen (Montag, 07 Oktober 2019 20:01)

    Das, liebe Sandra Windges, ist mal wieder ein exzellentes Beispiel weiblicher Beobachtungsgabe und geschliffener, punktgenauer Beschreibung auf sprachlich gewohnt hohem Niveau!
    Und amüsant dazu!
    Klasse!
    Habe Abonnement und warte bereits auf Nächstes....
    Lieben Gruss von AH