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Beleuchtung, marsch!

 

 

Irgendwann in den ausgehenden 1980er bis Mitte der 1990er Jahre geschah es, dass eine Beleuchtungsquelle in die höchsten Höhen bundesdeutscher Haushalte gehypt wurde, sogar noch, bevor das Wort gehypt in diesem Sinne geläufig war:

der DECKENFLUTER.

 

Wer keinen hatte, wollte einen und wer einen hatte, wollte noch einen haben. Der Deckenfluter kam schick, fast avantgardistisch daher, er schien wie eigens für deutsche Eigenheime gemacht, passte er doch hervorragend zum fliesig-pseudo-eleganten, dafür pflegeleichten Bodenbelag des Durchschnittsbürgers. Der Deckenfluter, metallenes Must-have der in den letzten Zügen liegenden Schulterpolster-Ära, passte zum Zeitgeist. Kühl, fast steril kam er daher, trotz seiner Form und Länge würde ich nicht als Phallussymbol einordnen. Er war nicht sexy, noch erotisch.

Der Deckenfluter hatte eigentlich nur sein Design-Alleinstellungsmerkmal.

Deckifluti war sozusagen der coole Enkel der Steh-Leselampe mit Stoffschirm und kam, anders als sie, keiner weiteren Funktion nach, als Licht zu spenden.

Der lange Lulatsch unter den Hellmachern war einer der Größten seiner Zunft, dieser aber durch seine fast schon egoistische Teilnahmslosigkeit die er der übrigen Beleuchtung entgegenbrachte, quasi entwachsen. Bei der guten alten Eiche-Brutal-Einrichtungsfraktion konnte er übrigens zunächst überhaupt nicht punkten.

 

Vor einigen Tagen habe ich allen Ernstes einen klassischen DF auf einem Foto in einer Zeitschrift gesehen. Die Besitzer desselben waren in die Jahre gekommene

- ja, was, Rockabillies?-, die in Hausklamotten auf Sessel und Sofa fläzten, Tattoos und Tollenfrisuren trugen und sich in der Ecke ihres Wohnzimmers einen der Deckenfluter hielten. Er sah noch recht gut aus. Also haben ganz offenbar doch noch einige überlebt. Und richtig, in den Lampenabteilungen einschlägiger Einrichtungshäuser findet man den Leuchtturm der Wohnzimmer noch. Heute ist er einer unter vielen Lichtspendern.

Er teilt sein Mainstreamschicksal mit den Halogenspotakkumulationen auf Metallplatten oder am Strang, mit den Federleuchten, die man vor Kurzem noch für teuer Geld online bestellen musste, und mit den vermessingten Strahlern mit Holzakzenten, die sich sowohl bei Laura und Jonas in ihrer ersten gemeinsamen Bude als auch bei Tante Sabine und Onkel Thomas in der Eigentumswohnung finden lassen.

 

Damals, zu seinen goldenen Zeiten, war er der Hottie unter all´ den anderen Leuchtmittelhaltern und anfangs noch ein richtig teures Teil, mit dem man protzen und simultan Geschmack und eben Extravaganz beweisen konnte.

Ein angesagtes Auto war nicht mehr die Killerapplikation, um eine Tussi aufzureißen. Hatte sich erst einmal herumgesprochen, dass der Ralf nicht nur den geilen GTI hatte, sondern auch noch eine ebenso geile Möblierung (stoffbezogenes französisches Bett mit Radio, Barfach, Kondomhalter und Sektkühler) - PLUS Deckenfluter!- DANN war die Sache geritzt.

Das leuchtende Trendteil war der coole Kumpel des testosteronschwangeren Mittzwanzigers und so bekam die Aufforderung „Mach doch mal den Deckenleuchter an!“ eine ganz eigene Konnotation. Dabei tat dieser Leuchter nix anderes als die gegelten, stark parfümierten Typen in der Großraumdisse: nämlich doof ´rumstehen. Sein kühles Licht strahlte tumb an die Decke, lesen konnte man dabei nicht und zum Bumsen war es nicht intim genug. Dabei konnte man an manchen Stecken noch am Rädchen drehen uuuund: das Licht DIMMEN! Jaaa, manche Deckenfluter besaßen DIMMER und das war nun endgültig der heißeste Shice!

 

Später bekamen diese Designleuchten noch sogenannte `Lesearme`.

Die Lesearme waren quasi die Äste am Leuchtbaum, die daherkamen wie eine herkömmliche Leseleuchte, welche aber ebenfalls mit diesem stimmungstötenden Halogen- und danach LED-Licht ausgestattet waren.

Es waren eben Vor-Hygge-Zeiten.

 

Im Olymp der Trends gibt es wenige unsterbliche Götter und wenige, die ihren Platz ganz oben behaupten können. Der Mainstream wartet schon begierig auf das nächste Futter fürs Volk. So auch damals: Lieschen Müller wollte ebenfalls mit einem Deckenfluter in ihrem Wohnzimmer bei ihren Besuchern punkten.

Und so wurden die Lichtbringer gnadenlos in nikotingeschwängerte Wohnstuben gepflanzt, als DAS Match zum Raketenschrank kombiniert und rundeten damit den Look zum Kacheltisch ab. Oder die edleren Stücke fanden Platz in großen, villenartigen Eigenheimen hinter opulenten Schmiedezäunen, gerne neben Kunstdrucken in schreienden Farben oder Kopien der schmelzenden Uhren von Dalì.

Der Mainstream ist halt erbarmungslos. Durch das Immer-wieder-Zeigen gewisser Dinge oder Motive verlieren diese an Bedeutung und an Glanz, ihre eigentliche Message kommt nicht mehr an und so, wie damals der Zauberwürfel tausendfach kopiert wurde, landen sie in der Masse, auf Kirmes-Niveau.

 

Ähnlich wie dem Deckenfluter erging es auch den Schuhen, die Anfang der Neunziger mal topmodern waren: Schwarze, klobige Schnürtreter, die wie Sicherheitsarbeitsschuhe mit Stahlkappen ausgestattet waren. Nur wurden diese nicht scheu versteckt, sondern - und das war der Clou – demonstrativ freigelegt, indem man das Leder halbmondförmig über dem Stahl herausgeschnitten hatte.

Ich bekam damals welche aus Italien importiert, noch bevor man (inclusive young Sandra) in Teutonenland auch nur gehört hatte von diesem Trend. Anfangs mal wieder belächelt oder blöd beglotzt, gingen diese Schuhe nach einer gewissen Zeit des Fremdelns förmlich durch die Decke. Es ist wie mit T-Shirts, auf denen später nur ein Wort stehen muss, das einen Trend darstellt, wie früher zum Beispiel `Disco` oder `Jeans`; es reicht, das Plagiat der Kopie der Kopie nur noch andeutungsweise zu zitieren. Bei den Schuhen verhielt es sich so, dass sie später auch als Billo-Treter im Deichmann-Regal herumstanden und die Stahlkappen nur mehr aufgeklebte Metallplättchen waren, traurig ausgestattet mit fimschig angedeuteten Nägelchen als vermeintliche Haltgeber.

 

Und noch ein schwarzes Lederprodukt wurde Opfer des Dutzendwareeffekts:

Die moderne Bikerstil-Jacke für Damen bzw. Mädchen. Auch sie war zunächst ein (teures) Trendteil und wird inzwischen wahrscheinlich sogar von Kirmesbärchen an der Losbude getragen. Wie bereits erwähnt, gibt es viele Mainstreamtrends auch auf der Kirmes zu kaufen oder zu gewinnen.

 

Dabei ist es selbstverständlich nicht nur oder unbedingt der Preis, der den Wert eines Objektes ausmacht, das weiß spätestens die oder der welche/r gerne am Sperrmüll nach neuen Stühlen stöbert (ich), gebrauchte Klamotten kauft, oder Erbstücke in Ehren hält (auch ich). Es wird halt nur auch das Schönste häufig fad, wenn es jede/r hat.

Und es gibt die Dinge und Trends, die auch beim zweiten oder dritten Aufwärmen nicht schöner werden, wie zum Beispiel saure Dauerwellen oder moonwashed Jeans.

Jüngeren Leuten könnte dies noch am ehesten gefallen, denn sie verbinden nichts damit, sie setzen alte Moden und wiederholte Trends in einen neuen Kontext.

 

Ob der Deckenfluter da auch noch mal eine Hauptrolle spielen wird, kann ich mir fast nicht vorstellen. Der hat so gar nichts tik-tokkiges oder Netflixiges, weiß nichts von Influencern und kommt insgesamt so un-internettig daher. Andererseits lieben viele meiner Generation beispielsweise nicht nur Spotify, sondern Vinylscheiben oder haben gar Opas altes Röhrenradio in der guten Stube stehen, oder ein Fake desselben, das ein ganz modernes Innenleben hat.

Wieder ein Trendzitat also? Wie die `Courier`-Type oder der scheppernde Handyklingelton, der ein Wählscheibentelefon imitiert?

 

 

Also, wer weiß, vielleicht wird der standhafte Leuchtkamerad ja doch noch ein ganz großes Comeback haben. Jetzt bin ich gespannt.

 

Copyright: Sandra Windges

 

Photo: Wayfarer

 

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